Kirchen

Gostemitz

Gostemitzauen WebsiteDas Christentum hat an vielen Stellen ältere Religionen nicht nur verdrängt, sondern vereinnahmt oder aufgenommen. So stehen viele Kirchen an Stellen früherer Heiligtümer. Die Gostemitzer Kirche steht auf einem Hügel, von dem man annehmen könnte, dass er bereits slawischer bzw. wendischer Religion als Kultort diente.

Die Kirche in Gostemitz ist ein Kleinod unter den Kirchen im Kirchenkreis, das zurzeit jedoch nicht so ansehnlich ist. Ihre Entstehung wird im 12. Jh. angesetzt. So findet man den Bogen eines sehr kleinen romanischen Fensters in der Mitte der östlichen Chorwand. Der ursprünglich romanische Bau erfuhr im Laufe der Zeit Veränderungen. Auch in Gostemitz hinterließ der 30jährige Krieg Spuren. Jedenfalls wird von einer Neugestaltung des Innenraumes im Jahr 1689 berichtet, wo auch der Turm auf die Kirche gebaut oder zumindest erneuert wurde, der Altar und die Emporen entstanden. In der ersten Hälfte des 18. Jh. heiratete einer der Herren Hertwig von Groitzsch – Patron der Kirche – eine Gostemitzer Frau. In Erinnerung an sie, vielleicht aus Anlass ihres Todes, stiftete ihr Sohn im Andenken an seine Mutter die kleine Orgel im Jahr 1867. Auch weisen zwei Grabplatten wie auch eine Inschrift aus dem 17. Jahrhundert auf die Verbindung zum Gut Groitzsch hin. Was heute der Jugend oft als Unart angerechnet wird – sich überall mit Schmierereien zu verewigen, das erscheint einem in der Gostemitzer Kirche geradezu als lebendiges Geschichtszeugnis:

GostemitzOrgel WebsiteDie Orgel hat einen Blasebalg, der nicht getreten werden muss, sondern mit einem Seil gezogen wird. An der Orgel kann man lesen, wer in den ganzen Jahren alles den Balg gezogen hat.

In der Kirche finden sich Hinweise auf den liturgischen Gebrauch der Kirche weit vor der Reformationszeit. So gibt es in der Sakristei eine "Piscina" - ein Ausguss in der Wand, durch den man nicht mehr gebrauchtes Weihwasser schüttete. Ebenso findet man dort auf dem Fußboden mitten zwischen Backsteinen einen abgetretenen Sandstein, auf dem sich wahrscheinlich die Priester bekreuzigten, bevor sie das Weihwasser aus der "Piscina" gossen. Der Dachstuhl des Turmes und besonders der Glockenstuhl sind Zimmermannsarbeiten von besonderer Schönheit. Obwohl sicher niemand daran dachte, dass der Turm ständig besichtigt werden würde, hatte man den Glockenstuhl mit Liebe zum Detail gestaltet, nach dem Motto: Gott sieht auch, was unter dem Dach ist. Die Kirchengemeinde in Gostemitz ist inzwischen sehr klein. Es muss deshalb überlegt werden, wie die Kirche gottesdienstlich genutzt werden kann. Ein schöner Auftakt dafür war die Feier der Osternacht 1996. Kerzen zeigten den Ankommenden den Weg, Kerzen beleuchteten die Kirche, in der die moderne Zeit mit Elektrizität noch keinen Einzug gehalten hat.

(aus: "Spuren in Stein")

Die Schrickel-Orgel in Gostemitz

Es gibt Orgeln, die wurden schon so lange nichtgespielt, dass sich niemand an ihren Klang erinnern kann. So erging es auch dem Instrument in der alten Gostemitzer Kirche. Ein Blickfang ist die Schrickel-Orgel immer gewesen, wenn im Kerzenschein die Christ- und Osternacht gefeiert wurde. Dann schimmerten geheimnisvoll vergoldete Köpfe und Sterne. Aber Töne konnte sie nicht mehr hervorbringen. Jahrzehntelang hatte sich der Dreck im Gehäuse gesammelt, die Holzwürmer und der Marder leisteten ganze Arbeit und böse Finger haben zuunguterletzt alle inneren Metallpfeifen gestohlen. Wenigstens die kostbaren Prospektpfeifen sind geblieben, weshalb die Orgel von den Fachleuten als „eine absolute Rarität von sehr hohem Denkmalswert" angesehen wird. Dies aber auch wegen des Erfinderreichtums, mit dem die engsten Platzverhältnisse von dem Orgelbauer Johann Nicolaus Schrickel technisch gelöst wurden.

gestemitz orgel22Die Herren Hertwig von Groitzsch waren zu jener Zeit die Patrone der Kirche. Einer von ihnen heiratete eine Gostemitzerin, deren Sohn die Orgel 1866 zu ihrem Andenken stiftete. Deshalb ziert auch das Wappen der Familie die Spitze des Orgelprospektes. Schrickel, der den Auftrag erhalten hatte, baute innerhalb eines Jahres das Instrument. Der Eilenburger Orgelbauer hatte einst bei Ludwig Weineck gelernt und sich 1845 in der Torgauer Straße selbständig gemacht hatte.
In der Umgebung von Eilenburg, aber auch in Thüringen und der Niederlausitz hat er mehr als 60 Orgeln gebaut. Sein Gostemitzer Werk besitzt ein Manual mit den Registerstimmen Viola di Gamba, Hohlflöte, Principal und Octave. Diese wenigen feinen Stimmen reichen völlig aus, um den kleinen Kirchraum zu füllen. Auch ein Klingelzug existiert, der den Helfern signalisierte, wann sie den Blasebalg zu ziehen hatten - um ihn zu treten, reichte der vorhandene Platz nicht aus.
Die letzte umfassende Wartung der Orgel fand am 24. Januar 1927 durch Zörbiger Orgelbauer statt. Nach fast 100 weiteren Jahren hat nun der sächsische Orgelbaumeister Georg Wünning das Instrument umfassend restauriert und fehlende Teile aufwendig ersetzt. Am 7. Oktober 2022 wurde die Orgel dann erstmalig den Sachverständigen und einigen Gemeindemitgliedern vorgestellt. Bewegend der Moment, als unser ehrenamtlicher Organist Volker Dittmann nach über 50 Jahren die Pfeifen erstmalig wieder erklingen ließ. Nun hoffen wir, dass spätestens zum Osterfest die Orgel mitsamt der ganzen restaurierten Kirche in den Dienst der Gemeinde übergeben werden kann. (fk)

(Quelle: Gemeindeblatt Dez. 2022)

Unsere Kirchen: Gostemitz

Gostemitz Kirche 1Das uralte Kirchlein, versteckt hinter Bäumen, lässt kaum jemanden unberührt. Verlässlich hat es bislang seine Pforte nur zweimal im Jahr geöffnet, dann aber sind zu später Stunde viele gekommen, die im Kerzenschein singen und den Geheimnissen der Christ- und Osternacht lauschen wollen. Die Kirche steht auf einem künstlich aufgeschütteten Siedlungshügel der slawischen Zeit, darauf, so kann vermutet werden, stand ein befestigter Hof, der schon im 11. Jahrhundert eine „Eigenkirche“ des dort ansässigen Herrn besessen hat. In die frühe Zeit weisen der Triumphbogen und zwei zugesetzte romanische Fenster. In der spätromanischen Zeit des 12. und 13. Jahrhunderts wurde vermutlich die nördliche Sakristei angebaut, die ein Tonnengewölbe und eine „Piscina“ – eine Ausgussöffnung für die bei der Messfeier erfolgten Waschungen – enthält. Der 30jährige Krieg muss auch dieses Kirchlein in Mitleidenschaft gezogen haben, und es dauerte lange, bis es endlich zu der notwendigen Wiederherstellung kam. Im Jahr 1689, so heißt es nach der Chronik von Jeremias Simon, wurde der südliche Vorbau mit dem Haupteingang errichtet, ebenso vermutlich erst zu dieser Zeit der Turm. Weiter wurden ein neuer Altar und Kanzel eingebaut, die unter den nächsten Generationen mehrfach überarbeitet und verändert wurden.

Auf der Südseite des Kirchenschiffs beeindruckt ein außerordentlich schön gearbeitetes, barockes Epitaph, dessen originale Bemalung noch großteilig erhalten ist. Es stammt von der Familie derer von Funcke und wurde 1777 errichtet. Im selben Jahrhundert erhielten auch die Emporen ihre Bemalung. 1852 wurden aus den alten Glocken drei neue gegossen, die den Namen Fides (Glaube), Charitas (Liebe) und Concordia (Eintracht) trugen: Letztere zierte ein Schillerzitat, die beiden kleineren jeweils ein Bibelzitat. Die Einschmelzungen der Kriege hat nur die kleinste, die Fides-Glocke, überstanden, auf welcher steht: „Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden“. Im Jahr 1867 wurde die Orgel gestiftet und von dem Eilenburger Johann Nicolaus Schrickel eingebaut. Um 1900 wiederum ist der Altar neu gefasst worden.Gostemitzer Kirche 32

GostemitzKanzel WebsiteDer Platzmangel hat in dieser Kirche immer wieder kreative Lösungen hervorgebracht. Geheimnisvoll wirken die beiden schmalen Treppenaufgänge, die das Kirchenschiff hin zum Kirchenchor durchschneiden, so dass man vom Chor auf die kirchenseitige Kanzel und andersherum auf die chorseitige Empore gelangen kann. Die Schrickel-Orgel besitzt einen Blasebalg, der ungewöhnlicherweise mit der Hand gezogen werden muss. Und auf die Nordempore gelangt man nur, indem man die Orgel auf deren Rückseite umgeht. Schließlich hat man auch einmal die Bänke in den Gang hinein verlängert, damit mehr Sitzplätze geschaffen werden. In den letzten Jahren häuften sich die Mängel an: Algen wuchsen an den Mauern, Holzteile zerfielen, durch Diebstahl verschwand unter anderem eine Gedenktafel und eine große Anzahl Orgelpfeifen. Aber selbst für die einfachsten Reparaturen fehlten der winzigen Kirchgemeinde die nötigen finanzielle Mittel. Zuletzt bröckelte der Putz von der Chordecke und musste mit einer Plane abgeschirmt werden. Dann aber entdeckte die Deutsche Denkmalstiftung die Gostemitzer Kirche als eine „Kostbarkeit“, andere Unterstützer wie der Freistaat Sachsen, die KIBA-Stiftung und die Ostdeutsche Sparkassenstiftung konnten gewonnen werden und der Kirchenkreis und der Denkmalschutz unterstützten die Arbeiten nach Leibeskräften. Seit 2021 wurden nun also Kanzel und Epitaph notgesichert, kaputte Teile ergänzt, eine alte Weihetafel restauriert, Algen entfernt, alte Malereien freigelegt, Putze erneuert, die Orgel spielfähig und schick restauriert, das Gestühl und der Fußboden repariert und die Fenster erneuert. Die Maßnahmen sind, während ich diese Zeilen schreibe, noch nicht ganz abgeschlossen, stehen aber kurz vor der Fertigstellung. Unsere Hoffnung ist also, dass in der Osternacht die Gostemitzer Glocke wieder erklingen darf und die Besucher den lange verstummten Klängen der Orgel lauschen und den besonderen Zauber dieser Kirche in sich aufnehmen können. (fk)

(Kirchspielkalender März-Mai 2023)

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